Im Gedenken an Dr. Birgit Walther – engagierte Ärztin und Vereinsmitstreiterin verstorben


Am 04.11.2023 verstarb Dr. Birgit Walther im Alter von 80 Jahren nach langer Krankheit  in ihrer schleswig-holsteinischen Wahlheimat. Als ehemaliges Mitglied unseres Bundesvorstandes, des wissenschaftlichen Beirats sowie engagierte Ärztin begleitete sie den Tuberöse Sklerose Deutschland e. V. über viele Jahre lang, brachte sich aktiv in die Gestaltung der Vereinsarbeit ein, stand TSC-Patienten stets mit Rat und Tat zur Seite und regte immer wieder neue Forschungs- und Therapieansätze an, von denen Betroffene heute in hohem Maße profitieren.     

 

In Weimar geboren, wuchs sie in der noch jungen Bundesrepublik heran und studierte, ausgestattet mit einem Stipendium der Studienstiftung des Deutschen Volkes, Medizin. Rasch wurde Mainz ihr medizinischer und privater Lebensmittelpunkt. In der Klinik für Kinder und Jugendliche unter der Leitung von Herrn Prof. Spranger befasste Birgit Walther sich intensiv mit Fragen der Säuglingsneurologie und hier insbesondere mit den Säuglingsepilepsien. Nach der Ausbildung zur Fachärztin für Kinderheilkunde und der medizinisch-wissenschaftlichen Prägung in Mainz waren das Kinderneurologische Zentrum in Bremerhaven, das Epilepsiezentrum Berlin-Brandenburg („Herzberge“) sowie das Klinikum in Schleswig weitere berufliche Stationen von Frau Dr. Birgit Walther.

 


Zu ihren wissenschaftlichen Schwerpunkten gehörten die epileptischen Spasmen oder wie sie selbst sagte: „die BNS-Epilepsie“. Sie wurde entscheidend von Herrn Prof. Dr. Hermann Doose, Raisdorf bei Kiel, geprägt. Mehrere Aufenthalte in Raisdorf sowie eine enge Zusammenarbeit mit ihm haben ihr wissenschaftlich-epileptologisches Denken geprägt. Ein besonderes Anliegen war ihr, Marker für einen ungünstigen Verlauf kindlicher Epilepsien zu identifizieren und mit einer präventiven Therapie ggf. einen günstigen Einfluss auf die ansonsten mit schlechter Prognose versehenen Epilepsien zu nehmen. Sie hat dieses auf vielen Kongressen vertreten und in ihrer Publikation „Identification of Infants at Risk for Infantile Spasms by Neonatal Polygraphy“ in Brain and Development 1987 dargelegt. Dieser Ansatz war in den 80er Jahren ungewöhnlich und hoch innovativ. Ihre so begründeten Behandlungsansätze wurden von der Fachgemeinschaft sehr kontrovers diskutiert und von Birgit Walther nicht minder engagiert und zuweilen auch offensiv kämpferisch vertreten. Wie Prof. Sergiusz Jóźwiak aus Warschau, Polen, ein großer Bewunderer von Birgit Walther, so treffend sagte: „Sie war ihrer Zeit 20 Jahre voraus.“ Die präventive Therapie mit Vigabatrin und/oder Sirolimus bei Patientinnen und Patienten mit Tuberöser Sklerose wird aktuell wissenschaftlich untersucht bzw. in die Behandlung eingeführt. Ihr Ansatz ist also bis in diese Tage hinein aktueller denn je.

 

Birgit Walther vertrat ihre vor allem klinische Arbeit stets mit großer Vehemenz, Akribie und durchaus streitbar. Sie hat es sich selbst sowie ihren Kolleginnen und Kollegen und Vorgesetzten nicht immer einfach gemacht. Von einer Idee überzeugt, kämpfte sie für diese mit großer Standhaftigkeit, Überzeugung und zuweilen auch Kompromisslosigkeit. Birgit Walther kümmerte sich beispiellos, polarisierte aber auch. Im Vordergrund ihres Handelns und den damit verbundenen Gedanken stand dabei immer das Wohl der ihr anvertrauten Patientinnen und Patienten. Die Kinder und Jugendlichen, die sie behandelte, litten zumeist unter schweren Mehrfachbehinderungen und komplizierten Epilepsien. Für diese setzte sie sich bis an den Rand der eigenen Erschöpfung ein. Ein besonderes Anliegen war ihr, auch Eltern und Angehörige in die Behandlung mit einzubeziehen. So ist sie maßgeblich an der Gründung von mehreren Selbsthilfegruppen, wie zum Beispiel der Epilepsie Elternhilfe in Mainz, beteiligt gewesen. Sie prägte das „Igel-Logo“ und gründete die „Igel-Station“ für Säuglingsneurologie in Mainz. Für ihre wissenschaftliche und medizinische Arbeit sowie für ihr herausragendes Engagement im Bereich der Selbsthilfe wurde ihr in Kiel durch den damaligen Ministerpräsidenten Torsten Albig das Bundesverdienstkreuz verliehen.

Die Tuberöse Sklerose als Krankheitsbild und insbesondere die Patientinnen und Patienten und deren Familien lagen Birgit Walther seit Jahrzehnten am Herzen. Für diese brachte sie sich intensiv auf verschiedenen Ebenen, zuweilen auch mit hoher emotionaler Intensität, in das Vereinsleben des Tuberöse Sklerose Deutschland e. V. ein, welches durch ihr Zutun enorm befördert wurde.

 

Ihren Lebensabend, der bis ins hohe Alter mit vielen Projekten im Bereich der Kinderneurologie, aber auch Flüchtlingsarbeit und Geschwisterarbeit, verbunden war, verbrachte sie in ihrer Wahlheimat Schleswig-Holstein.

 

Für viele in der Kinderneurologie sowie insbesondere auch innerhalb der „TS-Familie“ ist Birgit Walther zu einer wichtigen Ratgeberin, Mentorin, Kollegin und Freundin geworden.

Wir trauern um eine höchst engagierte Ärztin, kluge Frau und Kollegin.

 

Univ.-Prof. Dr. Markus Knuf   & Dr. Adelheid Wiemer-Kruel
in Vertretung für den TSD e. V.