Wenn dir das Leben Zitronen gibt, mach Limonade draus


Wenn ich gefragt werde was ich habe, beginne ich oft mit dem gleichen Satz: „Seufz… wenn ich das so sage, klingt das immer sooooooo schlimm. Es ist schwer zu erklären...!“ Ich komme mir dabei immer etwas blöd vor, weil ich etwas das ich bin und womit zumindest ich gut klarkomme, als „schwierig zu erklären“ und „schlimm“ bezeichne und mich somit viele im ersten Moment als „schwerkrank“ einstufen.

 

Was darauf folgt, lässt den Fragenden nicht gerade cool und „normal“ reagieren: “Ich habe eine Krankheit, die ich schon von Geburt an habe und von der ich Gott sei Dank nur sehr leicht betroffen bin. Sozusagen ein Glücksfall.“ Und die Krönung kommt dann, wenn die Leute fragen, wie die Krankheit denn heißt, die ich habe. „Tuberöse Sklerose!“, ist meine Antwort. Warum jeder eine Tuberkulose daraus macht, weiß ich nicht. Darauf erwidere ich dann also wie immer: „Nein, nicht Tuberkulose. Ja, ich bin mir sicher. Ja, Tuberööööseeee Sssskleroooose! Genau!! Ja, ich bin mir zu 100 Prozent sicher! Die Krankheit ist relativ selten und daher nicht so bekannt!“

 

Ich rede offen über die Krankheit und bin froh, wenn Leute fragen, statt über meine „unreine Haut“ zu spekulieren. Gerne beantworte ich Fragen und gehe ohne Scham, offen und ehrlich mit dem Thema um. Immerhin bin ich nun mal mit TSC auf die Welt gekommen und trotzdem gut gediehen und aufgewachsen. Allerdings hatte ich nicht nur gute und sonnige Kindertage.

  

Ich wusste schon immer, dass ich etwas anders war als die anderen Kinder im Kindergarten oder in der Schule. Das fing mit den regelmäßigen Besuchen im Krankenhaus, wo man mich durchcheckte, an und endete mit der Medikamenteneinnahme, die zum Glück im Alter von sechs Jahren ein Ende hatte.

 

Mit circa zehn Jahren hatte ich das erste Mal das Bedürfnis mich mehr über TSC zu informieren. Ich wollte über meine Krankheit besser Bescheid wissen. Also ging ich an den Bücherschrank und nahm ein Buch heraus, von dem ich wusste, dass es auf jeden Fall von Menschen handelt, die von TSC betroffen sind. Es war ein gelbes Buch mit einem von einem Geschwisterkind gemalten Bild als Einband. Darin berichteten Geschwisterkinder und Eltern über das Zusammenleben mit TSC-betroffenen Kindern. Wenn ich daran denke, fällt mir ein, wie ich an mir selbst zweifelte. Ich las von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die nicht alleine für sich sorgen können und ihr ganzes Leben lang die volle Aufmerksamkeit und Pflege ihrer Eltern oder anderer Angehöriger benötigen, um leben zu können.

 

Ich begann zu grübeln ...

Bin ich normal? Stimmt mit mir etwas nicht? Mir geht es so gut und ich bin fit. Ich habe doch auch TSC. Warum bin ich dann nicht normal? Bin ich noch nicht einmal in Hinsicht auf das Krankheitsbild normal?

 

Verstört und verwirrt legte ich das Buch zur Seite. Klar, ich kannte schon damals einige schwerbetroffene Menschen von den Jahrestagungen unseres Vereins, welcher für mich ein gewisser, kleiner Familienteil ist. Es hat mir immer schon viel Freude gemacht mit meinen Eltern zu den Jahrestagungen zu fahren, zu dieser Großfamilie, die ein gemeinsames Anliegen hat.

 

Warum nur geben mir diese Berichte nun das Gefühl anders und für das Krankheitsbild „zu gut entwickelt“ zu sein? Damals beschäftigte mich das sehr.

 

Wie schon erwähnt, war ich sehr schockiert darüber, dass nur die Fälle der Schwerstbetroffenen beschrieben wurden. Natürlich ist es Fakt, dass die meisten Betroffenen nicht so viel Glück hatten wie ich und wirklich schwer betroffen sind. Auch auf den Tagungen überwiegen die Mitglieder in dieser Hinsicht.

 

Es macht mich immer wieder aufs Neue traurig, dort junge Eltern mit erschrockenen, ängstlichen Gesichtern zu sehen. Natürlich darf man die Krankheit nicht auf die leichte Schulter nehmen und es ist immer schlimm und erschreckend für Eltern, wenn sie solch eine Diagnose für ihre Kinder bekommen. Die Eltern denken gleich an eine schwere Behinderung.

 

Bei mir ist es doch gut gegangen! Aus welchem Grund also bekommen junge, frisch gebackene Eltern und Angehörige von Menschen mit frisch diagnostizierter TSC so viele „negative“ Beispiele vor Augen geführt? Wo sind die „positiven Ergebnisse“ im Hinblick auf die Entwicklung eines Kindes, bei dem im Kleinkindesalter TSC diagnostiziert wurde? Damit möchte ich keinem zu nahetreten. Es ist lediglich mein Anliegen Menschen zu zeigen, dass die Diagnose nicht immer Behinderung bedeutet.

 

Klar muss ich regelmäßig zu Untersuchungen, aber wenn es doch weiter nichts ist! Ich lebe ein Leben wie jeder andere, auch mit TSC. Ich bin jetzt 20 Jahre alt, habe einen Realschulabschluss und war auf einem Berufskolleg. Ich war einen Monat in England, um dort einen Sprachkurs zu machen. Ich wohne seit einem halben Jahr in meiner ersten eigenen Wohnung in Freiburg und habe im April eine Ausbildung zur Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin angefangen, die mir sehr viel Spaß macht.

 

Eine Epilepsie, die im Kleinkindesalter auftrat, ist nur noch eine dunkle Erinnerung aus Erzählungen meiner Mutter und auch die Medikamente, die ich mit sechs Jahren erfolgreich absetzen konnte, sind nur noch eine schleierhafte Idee von Vergangenheit. Mir geht es trotz betroffener Nieren (Zysten) gut! Ich bin glücklich, dass ich bin wie ich bin!

 

... aber heute weiß ich es besser!

Ich habe tolle Freunde und eine tolle Familie, die für mich da sind, die mich auffangen und mich so nehmen, wie ich bin. Hätte ich nicht immer meine Familie und meine (von der Krabbelgruppe bis heute) besten Freundinnen Ida und Magdalena gehabt, wäre ich aber heute vielleicht nicht der starke und auch ziemlich selbstbewusste Mensch, der ich jetzt bin. Ich habe meine Freunde und meine Familie, die mit mir weinen, mit denen ich viel lache und auch mal streiten kann, die zuhören und denen auch ich gerne zuhöre und für die ich immer gerne da bin!!

 

Ich wünsche allen Menschen solch tolle Mitmenschen, wie ich sie habe. Natürlich kommt man nie mit allen klar. Überall gibt es Menschen, die sich einen Spaß daraus machen andere in irgendeiner Art und Weise zu verletzen. Doch ich habe festgestellt, dass diese Menschen nur so stark tun, um die eigene Schwäche zu verdecken. Wir sind stärker!