Tuberöse Sklerose Complex (Tuberöse Sklerose, Bourneville-Pringle-Syndrom, Bourneville-Brissaud-Pringle-Syndrom) ist eine genetisch bedingte Erkrankung, die autosomal dominant vererbt wird und von der etwa eines von 5.000 bis 10.000 Neugeborenen betroffen ist. Die zur Erkrankung führenden genetischen Veränderungen (Mutationen) liegen im Bereich des Erbgutes, von dem jeweils eine väterliche und eine mütterliche Kopie vorliegt. Bereits die Veränderung einer dieser beiden Kopien genügt, um die Erkrankung zu verursachen. In nur einem Drittel der Fälle wird die Erkrankung jedoch von Mutter oder Vater vererbt. Dagegen entsteht bei etwa zwei Dritteln die verursachende Mutation spontan, entweder in der Eizelle der Mutter, den Spermien des Vaters oder im heranreifenden Embryo 1,2,5
Der Name der Erkrankung leitet sich von dem Auftreten harter Tumoren in der Hirnrinde ab (griech. skleros = hart, lat. tuber = Beule, Höcker). Diese gutartigen Veränderungen entstehen durch eine Fehlsteuerung des Zellwachstums und der Zellreifung, wobei davon im Laufe des Lebens praktisch jedes Organsystem in unterschiedlicher Schwere betroffen sein kann. Ursache für die Fehlsteuerung sind Mutationen in einem der beiden Gene TSC1 oder TSC2. Diese Gene liefern die Information zur Herstellung der beiden Proteine Harmartin (TSC1) und Tuberin (TSC2).
Man kann sich die Gene gewissermaßen als Anleitung zur Herstellung der Proteine vorstellen und Mutationen als Fehler in der Bauanleitung. Harmartin und Tuberin sind zusammen als Hamartin-Tuberin-Komplex an der Regulation des Zellwachstums und der Zelldifferenzierung beteiligt. Die Regulation erreichen sie über eine Hemmung des mTOR (mammalian Target Of Rapamycin) -Signalweges. Liegen jedoch Mutationen in den Genen TSC1 und TSC2 vor, kommt es zu einer Einschränkung oder einem Verlust dieses hemmenden Einflusses auf die Prozesse von Zellteilung, Zellwachstum und Zellreifung, weswegen sich die Zellen unkontrolliert vermehren können.
Die unterschiedliche Krankheitsschwere kann jedoch nur teilweise auf die verschiedenen genetischen Veränderungen zurückgeführt werden. So sind Patienten mit Mutationen im TSC2-Gen im Durchschnitt etwas schwerer betroffen, als solche, bei denen Mutationen im TSC1-Gen gefunden wurden. Obwohl auch die Art der Mutation wahrscheinlich einen Einfluss auf den Verlauf der Erkrankung hat, kann es selbst innerhalb der gleichen Familie zu ganz unterschiedlichen Verläufen kommen, sodass im Einzelfall keine Prognose aus dem veränderten Gen und einer bestimmten Mutation abgeleitet werden kann. 1
Das Gehirn ist eines der am frühesten und häufigsten betroffenen Gewebe. Epileptische Anfälle treten bei etwa 75 – 90 % der Betroffenen auf und geben oft den ersten Hinweis auf die Erkrankung. Daneben können weitere Gewebsveränderungen sowie Verhaltensstörungen vorhanden sein.
Bei etwa 30 - 50 % der TSC-Betroffenen finden sich häufig bereits schon ab dem frühen Kindesalter gutartige Gewebsveränderungen der Netzhaut. Die Sehkraft wird durch
sie allerdings nur sehr selten beeinflusst, so dass in der Regel keine Behandlung notwendig ist.
Zahnschmelzdefekte sowie Zahnfleischfibrome sind weitere Veränderungen, die in Verbindung mit Tuberöse Sklerose Complex recht häufig auftreten können. Daneben sind auch Zahnfleischfibrome, gutartige Tumoren am Zahnfleisch, nicht selten, müssen in der Regel aber nicht behandelt werden.
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Tumoren am Herzen können per Ultraschall schon vorgeburtlich entdeckt werden und geben dann häufig den ersten Hinweis auf die Erkrankung. Sie können Herzrhythmus-störungen verursachen, lösen bei den meisten Betroffenen aber keine Beschwerden aus und bilden sich meist im Kindesalter zurück.
Etwa ein Drittel der erwachsenen Frauen haben eine Lymphangioleiomyomatose (LAM). Dieses Krankheitsmerkmal tritt fast nur bei Frauen ab der Pubertät auf und kann zu einer Beeinträchtigung der Lungenfunktion führen, die die Lebensqualität stark beeinträchtigen kann.
Bei mehr als der Hälfte der TSC-Betroffenen sind Tumoren an der Niere bereits vor dem 10. Lebensjahr zu finden, im Erwachsenenalter bei etwa 75 %. Je nach Größe können diese zu lebensbedrohlichen inneren Blutungen führen. Daneben hat etwa jeder dritte Betroffene Nierenzysten.
TSC gehört zu den neurokutanen Syndromen. Das heißt, dass neben dem Nervensystem (neuro-) typischerweise auch die Haut (-kutan, von lat. cutis) betroffen ist. Die Hautveränderungen sind für den Patienten nicht gefährlichen, jedoch zum Teil kosmetisch störend und deswegen belastend.
Veränderungen an den Gefäßen treten bei Patienten mit Tuberöse Sklerose Complex im Vergleich zu den anderen für die Erkrankung typische Symptome eher selten auf. Am häufugsten wird in der Literatur von Aneurysmen der Arorta berichtet, die jedoch zumeist per Zufallsbefund entdeckt werden.